Steigende Inflation setzt Brasilien unter Reformdruck
Nach Jahren des Wirtschaftsbooms in Brasilien wächst mit der rasant steigenden Inflation auch der Reformbedarf in der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas.
Sao Paolo. Die Lebenshaltungskosten schnellten im Januar mit 6,15 Prozent so stark in die Höhe wie seit fast acht Jahren nicht mehr, trotz aller staatlicher Gegenmaßnahmen. Zwar machen auch teurere Lebensmittel den Verbrauchern zu schaffen. Doch Experten verweisen vor allem auf den hausgemachten Preisdruck, der ungeachtet des abgeflauten Wachstums die Teuerungsraten in die Höhe treibt. Denn die Wirtschaft steckt in fundamentalen Schwierigkeiten: Die Firmen ächzen unter hohen Kosten und Mängeln in der Infrastruktur. Fachleute fordern nun umfassende Reformen, um den Wachstumsmotor wieder in Gang zu bekommen und den Preisdruck zu mildern.
Das nur wenig verschuldete Brasilien kam weitgehend unbeschadet durch die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise. Es versäumte jedoch, die folgenden Jahre mit starkem Wachstum zu nutzen, um die Wirtschaft auf schwierigere Zeiten vorzubereiten. Die Regierung der linken Präsidentin Dilma Rousseff setzt im Kampf gegen die Inflation bisher verstärkt auf direkte und punktuelle staatliche Interventionen. So hat sie die Städte aufgefordert, die Preise im öffentlichen Nahverkehr nicht weiter zu erhöhen. Zudem sollen die Steuern auf Grundnahrungsmittel gesenkt werden. "Das sind nur Heftpflaster, und keine fundamentalen Reformen", kritisiert aber Analyst Neil Shearing von Capital Economics. Die Wirtschaft leide unter Angebotsproblemen, und diese könnten nicht mit einer lockeren Haushaltspolitik gelöst werden.
Die Notenbank ist nun angesichts der wachsenden Lebenshaltungskosten weitgehend machtlos und kann nur wenig etwa gegen zu stark steigende Kosten für Dienstleistungen tun. Sie steckt Experten zufolge in einer Zwickmühle, in der ihr mehr oder weniger die Hände gebunden sind.
"Das ist so, wie wenn man mit einem alten Auto fährt", sagte BNP Paribas-Experte Marcelo Carvalho. "Man tritt aufs Gaspedal und verursacht Lärm und Rauch, fährt aber nicht unbedingt schneller." Denn eine Erhöhung der derzeit mit 7,25 Prozent rekordniedrigen Zinsen dürfte die Nachfrage dämpfen, was vor allem in konjunkturellen Boomzeiten als ein gutes Mittel gilt, um eine Überhitzung zu verhindern. Doch Brasilien macht eine Konjunkturflaute zu schaffen: Seit dem kräftigen Wachstum von 7,5 Prozent im Jahr 2010 verlor die Wirtschaft mächtig an Schwung. 2012 ist das Bruttoinlandsprodukt der weltweit sechstgrößten Volkswirtschaft wohl weniger als ein Prozent gewachsen. Aber auch eine weitere Lockerung der Geldpolitik kann nach Ansicht von Fachleuten nur wenig ausrichten. Denn zur Durchsetzung von Strukturreformen ist dieses Schwert stumpf.
Die Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group sieht die Regierung nun vor allem vor der Aufgabe, die Produktivität zu steigern, etwa durch vermehrte Investitionen in die Bildung. Denn im Vergleich zur Boomwirtschaft China hinkt Brasilien bei der Produktivität weit hinterher. Die Unternehmen sind dringend darauf angewiesen, effizienter zu werden, weil der Arbeitsmarkt leer gefegt ist und bei einer rekordniedrigen Arbeitslosigkeit von 4,6 Prozent die Löhne steigen. Daher müsse auch der Arbeitsmarkt dringend reformiert werden, sagte Mauro Toldo von der Dekabank: "Jetzt Reformen vorzunehmen, wäre für die Wirtschaft erträglicher, als zu warten, bis es richtig schlecht läuft."
Zwar wurden die Rahmenbedingungen für Investitionen in die Infrastruktur verbessert. Doch die Experten der Bank Santander Brasil rechnen nur mit "Tippelschritten" der Politik in diesem Jahr, weil Rousseff über keine besonders guten Beziehungen zum Parlament verfügt. Eine große Steuerreform scheint politisch nicht umsetzbar. Anders als in Mexiko sei in Brasilien die Ansicht verbreitet, dass der Staat der wichtigste Treiber des Wachstums sein solle, sagte Sergio Vale, Chefvolkswirt bei MB Associados. "Aber eine große Staatsquote führt nicht zu Wachstum, s
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