Brasiliens Staatsverschuldung ist rückläufig – oder nicht?
Die Aussichten, dass Brasiliens Staatsverschuldung auf längere Sicht tragfähig bleibt, sind günstig. Die Nettoverschuldung des öffentlichen Sektors ist spürbar zurückgegangen. Allerdings ist die Bruttoverschuldung Brasiliens im Vergleich mit den meisten anderen Schwellenländern nach wie vor relativ hoch. Interessanterweise war die Bruttostaatsverschuldung in den vergangenen fünf Jahren weitestgehend unverändert – und dies trotz soliden BIP-Wachstums und einer verhältnismäßig straffen Fiskalpolitik, die sich in einem hohen Primärüberschuss niederschlägt. Zurückzuführen ist dies auf eine mit inländischen Schuldtiteln finanzierte Anhäufung von Vermögenswerten auf Seiten des öffentlichen Sektors. Wenn die Regierung darauf verzichtet hätte Reserven anzuhäufen, wäre die Brutto(inlands)verschuldung heute um 10-15 Prozentpunkte niedriger.
Ein gutes Beispiel ist Brasilien. Die Aussichten, dass die Verschuldung auf längere Sicht tragfähig bleibt, sind günstig. Die Nettoverschuldung des öffentlichen Sektors sank von einem Höchststand von nahezu 60% im Jahr 2002 auf derzeit unter 40% des BIP. Wenn Brasilien auch künftig einen Primärüberschuss von 3% des BIP erzielt, ein durchschnittliches Zinsniveau von 6% (real) verzeichnet und in den Jahren 2012 bis 2015 eine reales BIP-Wachstum von 4% erwirtschaftet, wird sich die Nettoverschuldung bis 2015 auf weniger als 30% des BIP zurückbilden. Bleibt also abzuwarten, ob die brasilianische Regierung der Versuchung einer weniger disziplinierten Fiskalpolitik widerstehen kann, sobald sich das Verschuldungsniveau der 30%-Marke nähert.

Verständlicherweise liegt das Augenmerk der Regierung eher auf der (niedrigeren) Nettoverschuldung als der (höheren) Bruttoschuldenquote, die langsamer gesunken ist, nämlich von einem Höchststand von 82% des BIP 2002 auf nunmehr 65% des BIP. Es wäre wünschenswert, dass die Regierung den Abbau der Schuldenlast entschlossener anginge. Brasilien sieht sich relativ hohen Eventualverbindlichkeiten in Form steigender Ausgaben im Zusammenhang mit der Alterssicherung gegenüber. Zwar ist das demografische Profil Brasiliens relativ günstig; der Altersabhängigkeitsquotient dürfte sich aber bis 2030 verdoppeln, zwischen 2030 und 2050 erneut (nahezu) verdoppeln und letztlich knapp 40% erreichen. Nach Schätzungen des IWF liegt der aktuelle Wert der zukünftigen Ausgaben für die Renten- und Krankenversicherung bei 70% bzw. 40% des BIP. Höhere Verbindlichkeiten in diesen Bereichen verzeichnen nur Russland und die Ukraine, beides Länder mit erheblich schlechteren demografischen Perspektiven. Auch andere Schwellenländer werden rasch steigende Kosten für die Altersversorgung zu tragen haben; im Allgemeinen befinden sich diese aber in einer besseren Ausgangslage in Bezug auf ihre Staatsverschuldung oder profitieren von einer höheren zugrundeliegenden Wachstumsrate (z.B. Russland, China, Saudi-Arabien, Türkei).
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