Dienstag, 29. Januar 2013

In Brasilien wächst die Kritik an der Finanz- und Wirtschaftspolitik der Regierung Rousseff. Ihr werden Taschenspielertricks vorgeworfen. Damit läuft Rousseff Gefahr, ihr wichtiges Pfand zu verspielen: Vertrauen.

Brasilianische Wirtschaft

Alexander Busch, São Paulo
Bisher ignorierte die brasilianische Regierung von Präsidentin Dilma Rousseff alle Kritiker, die ihre Finanz- und Wirtschaftspolitik als einen der Gründe für das schwache Wachstum und die hartnäckig hohe Inflation sehen. Doch jetzt hat sich der ihr nahestehende, einflussreiche Ökonom und ehemalige Wirtschaftsminister Antonio Delfim Netto mit einer Kritik zu Wort gemeldet, welche die Regierung nicht mehr einfach als ideologisch abtun kann. Einerseits sieht Netto fehlendes Vertrauen zwischen der Regierung und der Privatwirtschaft als einen der Gründe für die niedrige Investitionsrate von derzeit 16% des Bruttoinlandprodukts (BIP).

Überschuss hergezaubert

Doch weil die Regierung 2012 die Konjunktur mit Steuererleichterungen und staatlichen Ausgabenprogrammen anschieben wollte, klaffte im Dezember ein Loch im Haushalt. Mit vorgezogenen Dividendenzahlungen der Staatsbanken wie des Banco do Brasil und Konzernen wie Petrobras sowie Überweisungen aus dem souveränen Staatsfonds glich das Finanzministerium das Budget aus. Mit diesem legalen Bilanztrick reduzierte die Regierung die Glaubwürdigkeit ihrer Finanzpolitik.
Dieser Vertrauensverlust kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt, denn gleichzeitig wachsen Zweifel in der Wirtschaft, ob die Regierung ihre Inflationsbekämpfung überhaupt noch ernst nimmt. Im vergangenen Jahr lag die Inflation mit 5,8% jenseits der eigentlich angedachten Obergrenze von 5,5%. Immer mehr Ökonomen zweifeln, dass es Zentralbank und Regierung gelingen wird, die Rate dieses Jahr deutlich zu senken. Sie fragen sich, ob der geldpolitische Rat aus Finanzministerium und Zentralbank nicht schon längst mit einem Inflationsziel von 5,5% statt 4,5% arbeite. Bereits jetzt ist die Geldentwertung in Brasilien im fünften Jahr in Folge grösser als im Durchschnitt der 15 weltweit wichtigsten Volkswirtschaften und etwa dreimal so hoch wie in den kriselnden Industrieländern derzeit.

Inflation mit Folgen

Die hartnäckig hohe Inflation verringert die Wettbewerbsfähigkeit der brasilianischen Wirtschaft. Die Gefahr wächst, dass die Privatwirtschaft die hohen Inflationserwartungen mit vorauseilenden Preiserhöhungen einspeist. Das Risiko weiterer Preissteigerungen ist zudem hoch. Auf Brasilien kommt dieses Jahr eine Energiekrise zu, durch die die Faktorkosten wie zuletzt 2002 zusätzlich steigen könnten. Der Finanzmarkt ist ein Indikator dafür, dass die Investoren mit steigender Geldentwertung rechnen. Für inflationsgesicherte Anleihen verlangen sie bereits einen Zinsaufschlag von 6%. Damit steckt Brasilien mit einer Inflation von 6% bei einem Wachstum von knapp 1% (2012) in einer Stagflation. Die Regierung versucht mit Senkungen der öffentlichen Preise den Inflationsdruck abzuschwächen. Rousseff hat die Bürgermeister der Metropolen wie Rio de Janeiro und São Paulo dazu überredet, erst Mitte des Jahres die Bus- und Bahntarife zu erhöhen. Die Strompreise wurden ab sofort um 20% gesenkt.

Absage an Zinssenkungen

Das ist keine gute Nachricht für die Wirtschaft. Bisher sind die starken Zinssenkungen seit eineinhalb Jahren ohne stimulierende Auswirkungen auf die Wirtschaft verpufft. Nach einer Umfrage des Industrieverbandes CNI sind die Investitionsabsichten Anfang 2013 auf den niedrigsten Stand seit dem Krisenjahr 2009 gesunken. Der schwache Binnenmarkt, die eingebrochenen Exporte sowie die Unsicherheit über staatliche Eingriffe in Schlüsselbranchen wie Energie, Bergbau oder Banken sind die Gründe für die Zurückhaltung der Unternehmer.

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