Auf der Suche nach neuen Geschäften
Neue Haltung der EU gegenüber Lateinamerika
Die EU, geschwächt durch die
anhaltende Euro-Krise, hat ihren Ton gegenüber den wirtschaftlich
aufstrebenden Ländern Lateinamerikas verändert. Anstatt Lehren zu
erteilen, warben die EU-Chefs beim EU-Lateinamerika-Gipfel in Chile um
Investitionen in Europa.
Es ist gerade erst fünf Jahre her, als Spaniens König Juan Carlos dem venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez
beim Iberoamerika-Gipfel 2007 in Chile ein "Halt den Mund"
entgegenschleuderte. Ebenfalls in Santiago de Chile traten die Vertreter
der Europäischen Union beim Treffen mit den Staats- und Regierungschefs
der Gemeinschaft Lateinamerikanischer Staaten (CELAC) an diesem
Wochenende deutlich zurückhaltender auf.
"Ein Sorgenkind in unseren Beziehungen ist, dass wir hinsichtlich des Freihandelsabkommen mit Mercosur noch nicht so richtig weiterkommen. Wir verhandeln jetzt schon seit 13 Jahren und sind noch nicht zum Ende gekommen. Auf europäischer Seite wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir dabei vorankommen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abschluss des 4. EU-CELAC-Gipfels.
"Ein Sorgenkind in unseren Beziehungen ist, dass wir hinsichtlich des Freihandelsabkommen mit Mercosur noch nicht so richtig weiterkommen. Wir verhandeln jetzt schon seit 13 Jahren und sind noch nicht zum Ende gekommen. Auf europäischer Seite wird sehr viel Wert darauf gelegt, dass wir dabei vorankommen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abschluss des 4. EU-CELAC-Gipfels.
Verhandlungen mit Mercosur
Dem Wirtschaftsblock Mercosur gehören die Länder Argentinien, Brasilien, Paraguay Venezuela und Uruguay an. "Eine gewaltige Anstrengung wurde unternommen, um neuen Schwung in die Diskussionen zu bekommen", sagte EU-Handelskommissar Karel De Gucht während des Gipfels. Ob die Anstrengungen erfolgreich waren, ließ er allerdings offen. Immerhin sei "Bewegung auf der politischen Ebene" gekommen, so De Gucht.
Beide Seiten haben vereinbart, sich bis Ende des Jahres gegenseitig mitzuteilen, wie sehr sie ihre einzelnen Sektoren, vom Dienstleistungssektor bis zur Landwirtschaft, öffnen wollen. Die Verhandlungen über ein Abkommen zwischen der EU und Mercosur begannen in den 1990er Jahren und wurden 2010 neu aufgenommen. Die Verhandlungen sind schwierig: Mercosur steht den EU-Agarsubventionen kritisch gegenüber. Andererseits schützen Brasilien und Argentinien ihre heimischen Industrien vor billigeren Importen. Dazu kommt, dass Venezuelas Präsident Chavez, ein Freihandelsabkommens mit der EU ablehnt. Venezuela ist seit 2012 Mitglied bei Mercosur.
Inzwischen hat die EU bilaterale Freihandelsabkommen mit einzelnen mittelamerikanischen Ländern abgeschlossen, darunter mit Mexiko, Peru und Chile. Das verdeutlicht die Uneinigkeit zwischen den auf Freihandel setzenden Ländern und den eher abgeschotteten Ökonomien in der Region wie Brasilien, Argentinien und Venezuela.
Partnerschaft auf Augenhöhe?
"Es ist nicht nur so, dass wir hier investieren wollen, sondern wir laden Sie auch dazu ein: Investieren Sie in Europa, investieren Sie in der Bundesrepublik Deutschland. Wir sind offen, wir heißen Sie willkommen. Es ist auch ganz selbstverständlich, dass eine Partnerschaft auf Augenhöhe darin besteht, dass es einen Handel hin und her über den Ozean gibt", sagte Merkel in ihrer Rede in Santiago de Chile.
Während die EU-Entscheider für eine "Partnerschaft auf Augenhöhe" werben, sorgen sich die Länder Lateinamerikas um die wirtschaftliche und soziale Krise in Europa. Mit dem schwebenden EU-Austritt Großbritanniens hat sich zudem politisch-institutionelle Krise der EU weiter verschärft.
Das Europa-Bild im Ausland wird derzeit durch die Folgen der Euro-Krise geprägt: Rezession, fast-Implosion der Währungsunion und historisch hohe Arbeitslosenzahlen. Immerhin haben fast 60 Prozent der jungen Spanier keinen Job. Lateinamerika ist mit einem prognostiziertem Wirtschaftswachstum von 4 Prozent daher deutlich besser aufgestellt als Europa. Die Europäer hoffen, lateinamerikanische Firmen für Investitionen in Europa gewinnen zu können. Als Vorbild dient dabei der mexikanische Geschäftsmann Carlos Slim, inzwischen Großaktionär beim niederländischen Telekommunikationsunternehmen KPN.
Zugleich werben die europäischen Regierungen für ihre Unternehmen, damit sie bei den Milliarden-Aufträgen zum Aufbau von Häfen, Autobahnen und Flughäfen beteiligt werden, einschließlich der Investitionsprojekte für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und die Olympischen Spiele 2016 in Brasilien.
Neue Bescheidenheit der Europäer
Die Stimmung beim Treffen der 60 vertretenen Ländern in Santiago de Chile war deutlich entspannter als sonst, erklärten Diplomaten. Die Krise in der Euro-Zone war dafür sehr hilfreich. "Den Lateinamerikanern gefällt der Gedanke, dass die Europäische Union auch Probleme hat", sagte ein EU-Diplomat, der bei dem Gipfel eng mit den chilenischen Kollegen gearbeitet hatte.
Die beiden EU-Präsidenten Herman Van Rompuy und José Manuel Barroso preisten in ihren jeweils fünf Reden an den beiden Gipfel-Tagen den Erfolg der lateinamerikanischen Länder und sprachen vom "verbundenen Schicksal" beider Regionen.
Dieser neue, bescheidenere Ton der Europäer, kam bei den Regierungschefs in der Region gut an. "Die Europäer haben endlich verstanden... wir brauchen eine Bezeihung, in der beide Seiten gewinnen", sagte Argentinies Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner.
Während die Gefahr eines Zerfalls der Euro-Zone vorläufig gebannt scheint, mussten sich die EU-Ehefs der Frage eines möglichen Auseinanderbrechens der EU stellen. Immerhin hatte der britische Premier David Cameron erst wenige Tage zuvor den Verbleib Großbritanniens in der EU infrage gestellt. Falls er 2015 als Premeir im Amt bestätigt werde, würden die Briten in einem "in or out"-Referendum über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens entscheiden, so Cameron in seiner Europa-Rede am Mittwoch (23. Januar).
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen